Auch die Herkunft ihres männlichen Pendants, des «Compadrito», ist weniger heroisch, als der Mythos glauben machen möchte. Dem Bild vom ganzen Kerl mit Machogehabe und geckenhafter Kleidung eiferten zuerst die jungen Männer der zweiten Einwanderergeneration nach. Sie kehrten damit ihren hart arbeitenden, an den Gebräuchen ihrer Heimat festhaltenden Eltern den Rücken. Und sie demonstrierten dies in provokanter Kleidung und Umgangsformen, die sie den einheimischen Landarbeitern abschauten. Dass die ersten Tango-Tänzer im Nachhinein pauschal als Zuhälter gelten, hat für die Autoren mehrere Gründe:
«Zum einen waren viele Zuhälter der Vorstadt <Compadritos>. Zum anderen wird dieser Teil der Tango-Mythologie bis heute von Tango-Tänzern weltweit liebevoll gepflegt, weil er so schön romantisch und verrucht klingt.»
Auch der Schriftsteller Jörge Luis Borges hing in seinen Beiträgen zur Tango-Mythologie diesem betont virilen Tapferkeits- und Männlichkeitsideal an. Die Vorstellung, dass der Tango woanders als in einem Bordell inmitten messerschwingender kreolischer «Compadritos» entstanden sein könnte, war Borges zuwider. Mit seiner «Verklärung des Tangos zum gauchesk- virilen Husarenstück» gehen die Autoren hart ins Gericht, auch wenn sie einräumen müssen, dass Borges als Textdichter einige «kunstvolle, aber rückgewandte Verse» beisteuerte.