Wo Tango drauf steht, muss nicht Tango drin sein. Gute Lehrer, lieblose Organisation und schlechte Milongas zu einem überrissenen Preis. So könnte man in Kürze das zweite Tango Winter-Festival 2014 in Hamburg zusammenfassen.
Mit bitterer Kälte empfing uns am Freitag die Hansestadt als wir den Flieger verliessen und glaubten uns im hohen Norden Skandinaviens, so pfiff uns der kalte Wind entgegen. Eine kurze Fahrt mit der S-Bahn brachte uns ins Stadtzentrum und wir checkten schon um 8.30 Uhr im Hotel ein. Rund um den Hauptbahnhof gibt es eine grosse Anzahl an Unterkunftsmöglichkeiten und es zahlte sich aus eine Bleibe in der Nähe der diversen Veranstaltungsorte gewählt zu haben. Die Organisatoren (Tanzstudio Tango-Chocolate) des Tango-Winter-Festival Hamburg hatten mit der Wahl der unterschiedlichen Locations ein geschicktes Händchen bewiesen. Alle waren sie nur wenige Gehminuten voneinander entfernt und gleichzeitig in der Nähe des Hauptbahnhofs.
Den ersten Tag verbrachten wir mit Bummeln soweit es die Kälte zulies aber eine Sätdtereise bei -11 Grad setzt auch dem grössten Optimisten klimatische Grenzen. Wie schön, dass Hamburg mit seinen zahllosen, sehr schönen Restaurants und Cafés genügend Möglichkeiten zur Wirtschaftskunde bot.
Wenn zwei Männer unterrichten
Um 19 Uhr startete und wir waren froh, frühzeitig aufgebrochen zu sein. Das Abholen der Tickets zog sich in die Länge. Auf engem Raum stand man sich beim Warten auf die Füsse bis man die vorbestellten Tickets entgegen nehmen konnte. Die Preise waren mit 40 Euro pro Workshop sehr hoch und beinahe dreissig Prozent teurer als an Festivals in Berlin, Rom, Wien, Zürich oder Basel. Ein Umstand, der die Erwartungshaltung an Programm und Qualität bei manchem Besucher in die Höhe trieb.
Die Hermanos Macana. Zwei argentinische Brüder leiteten unseren ersten Workshop. Beide beherrschen sie die Rolle des Führenden wie auch des Folgenden so perfekt, dass es eine aussergewöhnliche Freude war ihnen zu zuschauen. Giros standen auf dem Programm und wir hatten nicht nur Spass, sondern lernten auch in 90 Minuten einiges was uns wohl bleiben wird.
Die erste Milonga
Am Freitagabend fand die erste Milonga im Museum für Kunst und Gewerbe statt. Ein wunderschöner Saal bot die perfekte Kulisse für einen gelungenen Tangoabend. Leider waren etwas gar wenige Sitzgelegenheiten vorhanden und so mussten einige Gäste, vor allem die erste Hälfte des Abends, stehend verbringen. Eigentlich war die Milonga bis 3 Uhr geplant aber ab 1 Uhr lichteten sich die Reihen rasant und 60 Minuten später waren wir noch 5 Paare auf der Tanzfläche, als sich der DJ dazu entschloss den Abend frühzeitig zu beenden. Ob es an der improvisierten und langatmigen Moderation lag oder am eher tiefen tänzerischen Niveau der Anwesenden ist schwierig zu sagen. Auffallend war, dass uns doch einige der Anwesenden auf andere Milongas in Hamburg aufmerksam machten. Mit einer einheimischen Tanguera unterhielt ich mich am Getränketisch und sie erzählte von einer weiteren Milonga auf die sie wohl am Folgetag ausweichen würde. Als ich dann erfuhr, dass sie mittlerweile in Zürich lebt und besuchshalber in Hamburg sei, musste ich doch etwas schmunzeln. Wie klein doch die Welt des Tangos sein kann.
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Giros und Enrosques
Am zweiten Tag standen diverse Workshops auf dem Programm der zwei Lehrerpaare. Wir entschlossen uns für die Themen Giros und Enrosques. Beide Workshops wurden von Alejandra und Leandro geleitet. In perfektem Englisch erklärte Leandro mit viel Liebe zu Detail worauf es ankommt und gab auch genügend Zeit immer wieder daran zu arbeiten. Alejandra ergänzte mit ihren Erklärungen zur Rolle der Folgenden und wir hatten das Gefühl in guten Händen zu sein. Immer wieder wiesen sie darauf hin auf was es beim Tango wirklich ankommt. Motivierten ihre Schüler, sich Zeit zu nehmen, auf die Körpersprache des Partners zu achten und dass weniger auch im Tango mehr sein könne. Schade, dass einer der beiden Workshops zwar 20 Minuten zu spät anfing aber pünktlich aufhörte. Sehr gerne hätten wir da die Zeit voll ausgekostet.
Die grosse Gala: Mehr Autoscooter als Tango
Am Samstagabend freuten wir uns auf die Tango-Gala, welche ebenfalls im Museum für Kunst und Gewerbe aber nicht mehr im selben Saal stattfand.
Der neue Raum war bei weitem nicht mehr so schön, hatte weniger Tanzfläche und war zu dunkel. An eine Einladung via Cabezeo war nicht zu denken. Eng gedrängt sassen oder standen die Gäste im unteren Tanzbereich. Ein liebloser Getränketisch bot Erfrischungen und Taschen, Kleider und sonstige Utensilien lagen zu Hauf in den Ecken. Das Tanzniveau der Anwesenden war mehrheitlich, selbst für einen mittelmässigen Tänzer wie mir, tief. Wildes, chaotisches Navigieren auf der Tanzfläche zeichnete ein Bild, das Angst machte. Hätte man den Tangueros Fähnchen aufgesteckt, wäre der Unterschied zu einer Autoscooter-Fläche, wie man sie von Volksfesten kennt, nicht mehr gross gewesen. Notabene ohne den schützenden Gummiring.
Es wurde gerempelt, getreten, gestossen und und kreuz und quer getanzt. Wir entschlossen uns nach der ersten Tanda enttäuscht die Lokalität zu wechseln und eine andere, Vortags empfohlene, Milonga zu besuchen.
Guter Humor ist auch eine Frage der Dosierung
Am Sonntag gönnten wir uns etwas Ruhe und waren ganz froh, konnten wir zu Beginn unsere bestellten Festival-Pässe gegen einzelne Workshops eintauschen. Somit reduzierten wir unser Programm auf einen Workshop bei den Hermanos Macana. Wegen technischer Probleme startete dieser etwas verspätet. Vals stand auf dem Programm und wir lernten neue Grundschritte mit unterschiedlichen Variationen. Für mich neu und spannend. Viele Witze und Anekdoten begleiteten den Unterricht. Was ich am Freitag noch als sympathisch empfand, erwies sich am Sonntag als wenig produktiv. Vielleicht war es zu viel des Guten, vielleicht lag es auch einfach daran, dass sich in mir eine gewisse Ermüdung breit machte. Etwas mehr Fokus auf das Thema und weniger humoristische Einlagen hätten meinem Tango vermutlich mehr genutzt.
Die Stadt besitzt mit ihrer Eleganz einen faszinierenden Charme und bietet seinen Besuchern in jeder Hinsicht einiges. Eine spannende Architektur, ausgezeichnete Restaurants, ein hervorragendes Ballet, Theater & Musicals, schöne Bars und Cafés, die Alster wie auch der Hafen und einige super Herrenausstatter machen einen Besuch lohnenswert. Mit den Leuten kommt man innerhalb wie auch ausserhalb der Tangoszene einfach und locker ins Gespräch. Es ist ihre herzliche, offene und aufgeschlossene Art, welche viel zur Attraktivität der Stadt beiträgt. Vielleicht wäre es geschickter den Besuch in eine wärmere Jahreszeit zu verlegen.
Das Tango-Winter-Festival Hamburg (23.-27. Januar) schien mir kein zwingender Besuchsgrund und somit wäre wohl ein Besuch der Hansestadt in einer milderen Jahreszeit vorzuziehen.
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Text/ Foto: Rafael Cruz ist Organisator des Tango im Schloss und Tangoinfizierter im Frühstadium.
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